einvernehmliche Scheidung: Wir suchen einen gemeinsamen Anwalt – geht das?

Nicht selten wird man als Rechtsanwalt mit der Frage nach einem gemeinsamen Anwalt für die Scheidung konfrontiert. Dabei spielt der nachvollziehbare Wunsch eine Rolle, die Kosten einer Scheidung möglichst gering zu halten, weil man sich über alles einig ist und gemeinsam eine einvernehmliche (einverständliche) Scheidung anstrebt.

Eine einvernehmliche Scheidung mit einem gemeinsamen Anwalt – es geht nicht!

Der Anwalt ist in einem Verfahren Interessenvertreter einer Partei, also bei einer Scheidung Interessenvertreter auf der Seite der Antragsstellerin/des Antragsstellers oder auf der Seite der Antragsgegnerin/des Antragsgegners. Diese vom Gesetzgeber geregelte Rollenverteilung führt dazu, daß ein Rechtsanwalt, der im Vorfeld z.B. als Mediator versucht hat, die Interessen beider Parteien zusammen zu führen, gehindert ist, in dieser Sache oder sogar darüber hinausgehend eine dieser Parteien später gegen die andere Partei zu vertreten.

Bei einer Scheidung oder anderen familienrechtlichen Angelegenheiten haben Ehegatten jedenfalls rechtlich betrachtet grundsätzlich gegensätzliche Interessen. Der höhere Unterhaltsanspruch des einen führt zu einer höheren Belastung des anderen Ehegatten.  Der Verzicht kann einem Nachteile bringen, über die der Rechtsanwalt aufzuklären hätte, worüber der andere Ehegatte nicht erfreut wäre. Der Zeitpunkt der Einreichung des Antrages auf Ehescheidung kann für einen Ehegatten einen Vorteil bedeuten, usw. Das Einvernehmen bei einer Scheidung könnte also durchaus darauf fußen, daß eine oder auch beide Parteien ihre Rechte nicht kennen und deswegen nicht wahrnehmen.

Ungeachtet dessen besteht häufig der Wunsch – mit dem Argument der Kostenersparnis im Sinne einer billigen Scheidung – gemeinsam einen Anwalt aufzusuchen und zu beauftragen. Ob dabei immer die Vorstellung Antrieb ist, durch einen beauftragten Anwalt werden die Interessen beider Ehegatten gewahrt, ist nicht gewiß. Es kann auch eine Finte sein, den Ehegatten von einer eigenen Beratung abzuhalten.

Ihnen sollte also klar sein: Der beauftragte Rechtsanwalt ist ausschließlich demjenigen Ehegatten verpflichtet, der ihn beauftragt (Unterschrift auf der Vollmacht) hat. Sollte Ihr Partner auf die Beauftragung nur eines Anwaltes bestehen, beauftragen Sie den Rechtsanwalt, dann ist Ihre Interessenwahrnehmung gesichert.

Eine einvernehmliche Scheidung mit einem Anwalt – geht das?

Das geht, nach dem Verfahrensrecht im Familienrecht muß im Fall einer (einvernehmlichen) Scheidung nur die Partei anwaltlich vertreten sein, welche den Scheidungsantrag einreicht.

Das kann auch sinnvoll sein. Folgende Fallkonstellationen kommen (beispielhaft) für eine Scheidung mit nur einem Anwalt in Betracht:

  1. Die Ehe ist kurz (weniger als drei Jahre Ehezeit) und kinderlos, beide Parteien haben während der gesamten Ehe etwa gleich viel verdient und Rentenanwartschaften erworben, sind jung und gesund, in Arbeit und können sich selbst versorgen, über die Aufteilung des Hausrates ist man sich einig, Vermögen gibt es nicht oder es hat sich bei beiden Parteien gleichermaßen entwickelt. Über die Tilgung etwaiger ehelicher Verbindlichkeiten besteht Einigkeit.
  2. Die Ehezeit dauert länger als drei Jahre, während der Ehezeit wurde unterschiedlich verdient und deshalb wurden Rentenanwartschaften in unterschiedlicher Höhe erworben, aber bereits seit der Trennung wird von den Eheleuten etwa gleich viel verdient, es gibt sicher bei keiner Partei einen Vermögenszuwachs, etwaige Kinder sind bereits aus dem Haus und haben keine Unterhaltsansprüche mehr gegen die Eltern. Außerdem sind beide Parteien gesund, in der Lage, selbst für ihren Unterhalt zu sorgen und sind im Falle der Scheidung dauerhaft nicht auf staatliche Hilfe angewiesen. Über die Tilgung etwaiger ehelicher Verbindlichkeiten besteht Einigkeit.
  3. Keine Partei möchte von der anderen Partei im Falle der Scheidung der kinderlosen Ehe irgendwelche Ansprüche geltend machen, selbst wenn solche gegeben wären. Außerdem sind beide Parteien in der Lage, selbst für ihren Unterhalt zu sorgen und sind im Falle der Scheidung dauerhaft nicht auf staatliche Hilfe angewiesen. Über die Tilgung etwaiger ehelicher Verbindlichkeiten besteht Einigkeit.
  4. Die Trennung liegt bereits mehrere Jahre zurück, die eheliche Wohnung ist bereits aufgegeben, jede Partei sorgt für sich selbst, ist nicht auf staatliche Unterstützung angewiesen und möchte – selbst wenn es noch nicht bekannte Ansprüche gäbe – keine Ansprüche an die andere Seite stellen. Über die Tilgung etwaiger ehelicher Verbindlichkeiten besteht Einigkeit.
  5. Die Ehegatten haben bereits in einer notariell beurkundeten Trennungs- und Scheidungsvereinbarung für den Fall einer Scheidung alle Rechtsfolgen geregelt und die Vereinbarung hält der gerichtlichen Überprüfung stand.

Aber selbst in diesen Fällen kann es von Nachteil sein, selbst nicht anwaltlich vertreten zu sein. Ein in Familienrecht versierter Anwalt wird bei einem Antrag der Gegenseite auf Scheidung der Ehe immer empfehlen, selbst einen Antrag auf Scheidung zu stellen. Sie verhindern dadurch, daß die andere Partei durch Antragsrücknahme das bereits laufende Scheidungsverfahren einfach wieder beendet. Das kann tatsächlich, wenn die Voraussetzungen für eine Scheidung vorliegen, unter verschiedenen Gesichtspunkten sehr wichtig sein. Sind Sie als Antragsgegner nicht anwaltlich vertreten, können Sie diesen Antrag nicht wirksam stellen und damit eine einseitige Beendigung des Verfahrens nicht verhindern. Durch eine Antragsrücknahme könnten z.B. die sogenannten Stichtage für Berechnungen zum Zugewinn oder Versorgungsausgleich manipuliert werden.

In den meisten anderen Konstellationen kann man sich natürlich auch gemeinsam überlegen, die Kosten für einen Anwalt zu sparen. Sie selbst sollten sich jedenfalls fragen, auf wessen Kosten hier gespart werden soll. Sorgen Sie dafür, daß der Anwalt von Ihnen beauftragt ist, und Sie können damit einverstanden sein, denn Ihre Interessen werden dann anwaltlich vertreten. Die nicht anwaltlich vertretene Partei sollte sich bewußt machen, daß diese tatsächlich nicht durch einen Anwalt beraten und vertreten wird. Der von einem Ehegatten beauftragte Rechtsanwalt kann und darf jedenfalls nicht die Interessen des anderen Ehegatten (mit)vertreten.

Der Grund hierfür sei an nur einem Beispiel kurz verdeutlicht: Nach dem Gesetz findet bei einer Ehezeit von bis zu drei Jahren ein Versorgungsausgleich im Fall der Scheidung nur statt, wenn ein Ehegatte die Durchführung beantragt, § 3  VersAusglG. Vertritt der Anwalt denjenigen, der in dieser Zeit wesentlich mehr verdient hat und deswegen wesentlich höhere Rentenanwartschaften erworben hat, wird er ihm empfehlen, keinen Antrag auf Durchführung des Versorgungsausgleichs zu stellen. Er wird auch empfehlen, den Antrag auf Scheidung auch schnell noch so rechtzeitig einzureichen, daß die drei Jahre Ehezeit nicht mehr erreicht werden. Umgekehrt wird er seinem Mandanten raten, den Antrag auf Durchführung des Versorgungsausgleichs zu stellen, wenn dieser derjenige ist, der wesentlich weniger verdient und deswegen wahrscheinlich wesentlich weniger an Rentenanwartschaften erworben hat. Aus dem Beispiel wird ersichtlich, daß der Anwalt bereits bei einem eigentlich einfach anmutenden Fall in einen Interessenkonflikt geraten kann, er also objektiv betrachtet nicht im wirtschaftlichen Interesse beider Parteien beraten und handeln kann. Deshalb ist der Anwalt Vertreter einer Partei und ist es wichtig, daß im Zweifel Sie derjenige sind, der anwaltlich vertreten ist.

Fazit: Lassen jedenfalls Sie sich durch einen Anwalt vertreten!

Die Vertretung durch einen Anwalt gibt Ihnen Sicherheit, über Ihre Rechte aufgeklärt zu sein, diese geltend machen zu können sowie adäquat vertreten zu sein, wenn Ansprüche durch die Gegenseite behauptet oder geltend gemacht werden. Dem wirtschaftlich schwächeren Ehegatten ist in der Regel immer zu empfehlen, sich durch einen Anwalt vertreten zu lassen, notfalls durch Inanspruchnahme von Verfahrenskostenhilfe.

Ist die Scheidung mit nur einem Anwalt billiger?

Billiger ist die Scheidung nur dann, wenn sich beide Parteien die  Kosten des Scheidungsverfahrens (Gerichtskosten) und die Kosten für den einen Anwalt teilen (obwohl der Anwalt nur eine Partei vertritt). Erfolgt keine Teilung der Anwaltskosten, ist die Scheidung nur für den billiger, der selbst keinen Anwalt beauftragt. Ob die nicht durch einen Anwalt vertretene Partei (mit und ohne Beteiligung an den Kosten für den Anwalt der anderen Partei) wirklich günstiger wegkommt, ist dann eine Frage, ob und in welcher Höhe Ansprüche gegeben sind, die so nicht geltend macht wurden.

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