Ehe für alle – Ende der Lebenspartnerschaft?

Am 30.06.17 haben 623 der insgesamt 630 Parlamentarier des Bundestages an einer Abstimmung über einen Gesetzentwurf teilgenommen, der in den Meldungen als „Ehe für alle“ bezeichnet wird, der Gesetzgeber nennt diesen: „Entwurf eines Gesetzes zur Einführung des Rechts auf Eheschließung für Personen gleichen Geschlechts.“ Insgesamt votierten 393 Parlamentarier mit Ja für die Öffnung der Ehe, darunter 75 Unions-Abgeordnete. 226 stimmten mit Nein, vier Abgeordnete (alle von der Union) enthielten sich.

Der Bundesrat beschäftigt sich am 7. Juli mit dem Gesetz. Die Zustimmung der Bundesrates ist nicht erforderlich, es handelt sich um ein sogenanntes Einspruchsgesetz.

Damit die Gesetzesänderung inklusive weiterer damit in Zusammenhang stehenden Änderungen in dieser Legislaturperiode in Kraft treten kann, müsste das Gesetz außerdem noch vom Bundespräsident unterzeichnet und verkündet werden.

Gesetzsänderung „Ehe für alle“

Vor der beschlossenen Gesetzesänderung lautet der für die Ehe im BGB maßgebliche Paragraph:

§ 1353 Eheliche Lebensgemeinschaft
(1) Die Ehe wird auf Lebenszeit geschlossen. Die Ehegatten sind einander zur ehelichen Lebensgemeinschaft verpflichtet; sie tragen füreinander Verantwortung.
(2) Ein Ehegatte ist nicht verpflichtet, dem Verlangen des anderen Ehegatten nach Herstellung der Gemeinschaft Folge zu leisten, wenn sich das Verlangen als Missbrauch seines Rechts darstellt oder wenn die Ehe gescheitert ist.

Die beschlossene Gesetzesänderung sieht folgenden Text vor:

§ 1353 Eheliche Lebensgemeinschaft
(1) Die Ehe wird von zwei Personen verschiedenen oder gleichen Geschlechts auf Lebenszeit geschlossen. Die Ehegatten sind einander zur ehelichen Lebensgemeinschaft verpflichtet; sie tragen füreinander Verantwortung.
(2) Ein Ehegatte ist nicht verpflichtet, dem Verlangen des anderen Ehegatten nach Herstellung der Gemeinschaft Folge zu leisten, wenn sich das Verlangen als Missbrauch seines Rechts darstellt oder wenn die Ehe gescheitert ist.

Das Inkrafttreten ist wie folgt geregelt:

Artikel 3 Inkrafttreten
(1) Dieses Gesetz tritt am ersten Tag des dritten auf die Verkündung folgenden Monats in Kraft.
(2) Für Rechte und Pflichten der Lebenspartnerinnen oder Lebenspartner bleibt nach der Umwandlung der Lebenspartnerschaft in eine Ehe der Tag der Begründung der Lebenspartnerschaft weiterhin maßgebend.
(3) Lebenspartnerschaften können ab Inkrafttreten dieses Gesetzes nicht mehr begründet werden.

Was bedeutet die Ehe für alle für die eingetragene Lebenspartnerschaft nach dem LebenspartnerschaftsG?

Auch diesbezüglich wurden Änderungen beschlossen.

Nach dem neu eingefügten § 17a LebenspartnerschaftsG kann die eingetragene Lebenspartnerschaft in eine Ehe umgewandelt werden.

㤠17a Umwandlung einer Lebenspartnerschaft in eine Ehe und ihre Beurkundung
(1) Die Lebenspartner haben bei der Umwandlung ihrer Lebenspartnerschaft in eine Ehe das Bestehen der Lebenspartnerschaft durch öffentliche Urkunden nachzuweisen.
(2) Für die Umwandlung einer Lebenspartnerschaft in eine Ehe gelten die § 11 und § 12 Absatz 1 und Absatz 2 Nummer 1 bis 3 sowie die §§ 14 bis 16 entsprechend.“

Außerdem ist im Rahmen zum Inkrafttreten des am 30.06.17 beschlossenen Gesetzes geregelt:

(2) Für Rechte und Pflichten der Lebenspartnerinnen oder Lebenspartner bleibt nach der Umwandlung der Lebenspartnerschaft in eine Ehe der Tag der Begründung der Lebenspartnerschaft weiterhin maßgebend.
(3) Lebenspartnerschaften können ab Inkrafttreten dieses Gesetzes nicht mehr begründet werden.

Daraus ersichtlich können bestehende Lebenspartnerschaften entweder umgewandelt werden oder bestehen bleiben. Neue Lebenspartnerschaften werden dagegen nicht mehr möglich sein.

Zu beachten ist bei der Umwandlung der Zeitpunkt der dadurch eintretenden Wirkungen.

Nach der Umwandlung der Lebenspartnerschaft in eine Ehe haben die Lebenspartnerinnen oder Lebenspartner die gleichen Rechte und Pflichten, als ob sie am Tag der Begründung der Lebenspartnerschaft geheiratet hätten. Damit wird nach dem Willen des Gesetzgebers die bestehende Ungleichbehandlung eingetragener Lebenspartnerinnen und Lebenspartner mit Ehegatten rückwirkend beseitigt.

Dieses bedeutet, dass bestimmte sozial- und steuerrechtliche Entscheidungen neu getroffen werden müssen.

Aoßerdem empfiehlt sich insbesondere wegen der rückwirkenden Wirkung, vor der Umwandlung über einen Ehevertrag nachzudenken.

Ist die neue gesetzliche Regelung zur Ehe für alle (teilweise) verfassungswidrig?

Das wird wohl das Bundesverfassungsgericht beantworten müssen, jedenfalls gibt es verschiedene Meinungen dazu. Zwar halten verschiedene Staatsrechtler das Gesetz für verfassungskonform, aber auch ein bekannter Verfassungrichter a.D., Herr Hans-Jürgen Papier hat sich dazu bereits geäußert und vertritt die Auffassung, das Gesetz sei ohne eine Grundgesetzänderung verfassungswidrig.

Hierzu sollte man aus meiner Sicht in Betracht ziehen:

Hans-Jürgen Papier hat als Präsident des Bundesverfassungsgerichts bei dem Urteil des Ersten Senats des Bundesverfassungsgerichts vom 17. Juli 2002 – 1 BvF 1/01 – mitgewirkt, bei dem es um die Einführung des Rechtsinstituts der eingetragenen Lebenspartnerschaft für gleichgeschlechtliche Paare ging. In dieser Entscheidung hat das Bundesverfassungsgericht wörtlich unter Randnummer 79 ausgeführt:

„aa) Jeder ehefähigen Person steht auch nach Einführung der eingetragenen Lebenspartnerschaft durch das LPartDisBG der Weg in die Ehe offen. Allerdings kann die Ehe nur mit einem Partner des jeweils anderen Geschlechts geschlossen werden, da ihr als Wesensmerkmal die Verschiedengeschlechtlichkeit der Partner innewohnt (vgl. BVerfGE 10, 59 <66>) und sich nur hierauf das Recht der Eheschließungsfreiheit bezieht. Gleichgeschlechtlichen Paaren bleibt auch nach dem LPartDisBG die Ehe verschlossen. Ihnen wird für eine dauerhafte Bindung als Rechtsinstitut allein die eingetragene Lebenspartnerschaft eröffnet.“

In einer weiteren und wesentlich neueren Entscheidung des Bundesverfassungsgerichts zur Ungleichbehandlung von eingetragener Lebenspartnerschaft und Ehe beim beamtenrechtlichen Familienzuschlag gemäß Beschluss vom 19. Juni 2012 – 2 BvR 1397/09 – findet sich in dessen Pressemitteilung Nr. 59/2012 vom 1. August 2012 folgende Formulierung:

Die Ehe als allein der Verbindung zwischen Mann und Frau vorbehaltenes Institut erfährt durch Art. 6 Abs. 1 GG einen eigenständigen verfassungsrechtlichen Schutz.

Es ist deswegen durchaus denkbar, dass das Bundesverfassungsgericht als Wesensmerkmal der Ehe im Sinne des Artikel 6 I GG wie bisher die Verschiedengeschlechtlichkeit sieht und deshalb dann die derzeitige gesetzliche Neuregelung ohne eine Änderung des Grundgesetzes keinen Bestand haben kann.

Artikel 6 I GG lautet:

„(1) Ehe und Familie stehen unter dem besonderen Schutze der staatlichen Ordnung.“

Deshalb wird das Bundesverfassungsgericht erneut entscheiden müssen.

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