Neue Rechtsbehelfe im Kindschaftsrecht: Beschleunigungsrüge und Beschleunigungsbeschwerde

Seit dem 15.10.2016 ist das am 14.10.2016 im Bundesgesetzblatt verkündete Gesetz vom 11.10.2016 zur Änderung des Sachverständigenrechts und zur weiteren Änderung des Gesetzes über das Verfahren in Familiensachen und in den Angelegenheiten der freiwilligen Gerichtsbarkeit sowie zur Änderung des Sozialgerichtsgesetzes, der Verwaltungsgerichtsordnung, der Finanzgerichtsordnung und des Gerichtskostengesetzes in Kraft getreten.

Dieses enthält nicht nur Änderungen im Sachverständigenrecht, sondern auch die Beschleunigungsrüge und die Beschleunigungsbeschwerde in Kindschaftssachen bei Verstoß gegen den geltenden Beschleunigungsgrundsatz. Damit soll Verzögerungen in Kindschaftssachen entgegengewirkt werden können.

Damit könnte man manchen Familienrichter in München ins Schwitzen bringen.

Anlass für die Neuregelung ist eine Rüge des Europäischen Gerichtshofs für Menschenrechte. Dieser hat in seiner Entscheidung vom Januar 2015 festgestellt, dass das Fehlen eines Rechtsbehelfs zur Beschleunigung überlanger Verfahren in Umgangssachen im deutschen Familienrecht das Recht auf wirksame Beschwerde gemäß Art. 13 EMRK i. V. m. Art. 8 EMRK verletzt.

Der neue gesetzliche Wortlaut wird nachfolgend wiedergegeben:

§ 155b Beschleunigungsrüge

(1) Ein Beteiligter in einer in § 155 Absatz 1 bestimmten Kindschaftssache kann geltend machen, dass die bisherige Verfahrensdauer nicht dem Vorrang- und Beschleunigungsgebot nach der genannten Vorschrift entspricht (Beschleunigungsrüge). Er hat dabei Umstände darzulegen, aus denen sich ergibt, dass das Verfahren nicht vorrangig und beschleunigt durchgeführt worden ist.
(2) Das Gericht entscheidet über die Beschleunigungsrüge spätestens innerhalb eines Monats nach deren Eingang durch Beschluss. Hält das Gericht die Beschleunigungsrüge für begründet, hat es unverzüglich geeignete Maßnahmen zur vorrangigen und beschleunigten Durchführung des Verfahrens zu ergreifen; insbesondere ist der Erlass einer einstweiligen Anordnung zu prüfen.
(3) Die Beschleunigungsrüge gilt zugleich als Verzögerungsrüge im Sinne des § 198 Absatz 3 Satz 1 des Gerichtsverfassungsgesetzes.

§ 155c Beschleunigungsbeschwerde

(1) Der Beschluss nach § 155b Absatz 2 Satz 1 kann von dem Beteiligten innerhalb einer Frist von zwei Wochen nach der schriftlichen Bekanntgabe mit der Beschwerde angefochten werden. § 64 Absatz 1 gilt entsprechend. Das Gericht ist zur Abhilfe nicht befugt; es hat die Akten unverzüglich dem Beschwerdegericht nach Absatz 2 vorzulegen.
(2) Über die Beschleunigungsbeschwerde entscheidet das Oberlandesgericht, wenn das Amtsgericht den Beschluss nach § 155b Absatz 2 Satz 1 gefasst hat. Hat das Oberlandesgericht oder der Bundesgerichtshof den Beschluss gefasst, so entscheidet ein anderer Spruchkörper desselben Gerichts.
(3) Das Beschwerdegericht entscheidet unverzüglich nach Aktenlage; seine Entscheidung soll spätestens innerhalb eines Monats ergehen. § 68 Absatz 2 gilt entsprechend. Das Beschwerdegericht hat festzustellen, ob die bisherige Dauer des Verfahrens dem Vorrang- und Beschleunigungsgebot des § 155 Absatz 1 entspricht. Stellt es fest, dass dies nicht der Fall ist, hat das Gericht, dessen Beschluss angefochten worden ist, das Verfahren unter Beachtung der rechtlichen Beurteilung des Beschwerdegerichts unverzüglich vorrangig und beschleunigt durchzuführen.
(4) Hat das Gericht innerhalb der Monatsfrist des § 155b Absatz 2 Satz 1 keine Entscheidung über die Beschleunigungsrüge getroffen, kann der Beteiligte innerhalb einer Frist von zwei Monaten bei dem Beschwerdegericht nach Absatz 2 die Beschleunigungsbeschwerde einlegen. Die Frist beginnt mit Eingang der Beschleunigungsrüge bei dem Gericht. Die Absätze 2 und 3 gelten entsprechend.

----------------
Zu dem Thema passende Informationen finden Sie auch in den Kategorien Familienrecht | Sorgerecht | Umgangsrecht